Einige Wochen später fand die Einäscherung statt. Man wartete damit so lange, weil Verwandte aus den USA ihr Kommen erst arrangieren mussten. Man hatte eine Art Scheiterhaufen errichtet. In einer kleinen Prozession wurde der Sarg dorthin gebracht. Allen voran gingen einige Mönche, die laut Palitexte rezitierten. Hinter den Mönchen folgte der Sarg, der von 6 Trägern getragen wurde. Dahinter folgten die Verwandten, die nächsten Verwandten zuerst, dahinter die entfernteren Verwandten und eingeladene Gäste.

Als die Träger beim Scheiterhaufen ankamen, setzten die Träger den Sarg zunächst ab. Die Mönche gingen dreimal links herum um den Sarg, wobei Sie wieder Palitexte sangen. Dann stellten die Träger den Sarg auf den Scheiterhaufen.

Etwas seitlich vor dem Scheiterhaufen hatte man ein paar große Tabletts aufgestellt, darauf fanden sich eine Petroleumlampe mit etwas Brennöl, Streichhölzer, ein Messer, ein paar Tabletten (gegen Kopfschmerzen!), Reiskörner, Knoblauch, und eine Harke zum Bearbeiten von Ackerböden. Als man den Scheiterhaufen anzündete, fügte man diese Dinge dem Scheiterhaufen zum Mitverbrennen hinzu. Angeblich denkt man, dass die verbrannten Dinge der Seele in der Überwelt nützlich sein könnten.

Das Feuer wurde von Lio’s ältestem Sohn entzündet. Ich habe gelesen, dass ein Mönch das Feuer nicht entzünden dürfe, denn im Holz befänden sich ja noch lebende Insekten, die durch das Feuer getötet würden.
Der Brennvorgang selbst dauerte sehr lange, zwei Leute waren angestellt, das Feuer am Brennen zu halten. Immer wieder wurde neues Holz dazugelegt, und man achtete darauf, dass der Sarg bzw. seine Reste in der Mitte des Scheiterhaufens blieben.

Nachdem das Feuer erloschen war, breitete man die Asche auseinander, mit langgriffigen Zangen suchten Lio’s Kinder nach übriggebliebenen Knochenteilen. Man fand auch nicht wenige, die legte man an eine Stelle, streute ein paar bunte Blüten dazu, besprenkelte die Asche mit Weihwasser, danach breitete man ein weißes Tuch über sie. Der älteste Mönch ergriff nun ein Ende des Tuches mit seiner rechten Hand und murmelte einige Paliworte. Ich habe gelesen, dass sie ungefähr folgendes bedeuten: „Die Erfahrungen unseres Lebens sind vergänglich. Die Natur der Dinge ist es, zu entstehen und zu vergehen. Sie hören auf zu sein“.
Danach wurden die Knochenteile und die Asche in eine Art Krug getan. Am nächsten Tag fuhren alle Verwandte, die an der Verbrennungszeremonie teilgenommen hatten, zu einem „Phak Meng Beach (หาดปากเมง) genannten Strand. Auf einem gemieteten Motorboot fuhr man ein Stück aufs Meer hinaus und verstreute Asche und Knochenteile im Meerwasser.

Diese Rituale sind typisch für Thaibegräbnisse. Schilderungen von ganz ähnlichen Vorgängen fand ich in verschiedenen Büchern, die sich mit den Gebräuchen der Thais befassen. Manchmal, wenn bedeutende Persönlichkeiten oder Reiche sterben, werden diese Riten durch weitere ergänzt, Orchester können Musik spielen, Theaterstücke können aufgeführt werden. Ganz anders liegen die Dinge, wenn Thais mit chinesischer Abkunft sterben. Denn Thais verbrennen die Leichen, Chinesen aber vergraben sie.