Jugendanwalt gibt jeden Monat 22'000 Franken für Messerstecher (17) aus

«Es war auch schon doppelt so viel»

Das Strafregister von Carlos (17) füllt ganze Ordner. Der Zürcher Jugendanwalt Hansueli Gürber (62) ermöglicht ihm nun, in einer 4½-Zimmer-Wohnung zu wohnen und Thaibox-Kurse beim Weltmeister zu nehmen. Insgesamt kümmert sich ein 10-köpfiges Betreuerteam um den jungen Messerstecher. Kosten: 22'000 Fr pro Monat.

Letzten Sonntagabend, «Reporter» auf SRF 1: Der leitende Zürcher Jugendanwalt Hansueli Gürber (62) erzählt aus seinem Leben. Wie er im Keller Schlangen und Echsen züchtet. Wie er 20 Jahre lang mit seiner Geliebten eine zweite Familie verheimlichte. Und wie er mit den Straftätern umgeht, die auf seiner Jugendanwaltschaft landen.

Alt-Hippie Gürber präsentiert dem Fernsehpublikum den Fall des 17-jährigen Carlos, dessen Strafregister «ganze Ordner füllt». Mit neun Jahren verübt Carlos seine erste Straftat. «Es folgten viele weitere Delikte wie Raub, Gewalt, Drohung, Waffenbesitz, Drogenkonsum – um nur einige zu nennen», heisst es im Film.

Vor zwei Jahren dann verletzt Carlos mit dem Messer einen Jugendlichen so schwer, dass dieser «nur dank grossem Glück überlebte».

Welche Folgen hatte der Angriff für den Täter? In einem Boxkeller prügelt Carlos auf einen Sandsack ein. Gürber hat dem Messerstecher eine Trainingsmöglichkeit verschafft. Nicht bei einem Amateur. Sondern beim zehnfachen Thaibox-Weltmeister Shemsi Beqiri. Dass der gefährliche Schläger durch die Kampftechnik noch unberechenbarer wird, verneint Gürber. Bei jedem Besuch habe sich Carlos «zum Positiven» entwickelt, sagt er.

Um «das Positive» geht es auch im Gruppengespräch im Jugendamt. «Rund zehn Personen kümmern sich laufend um Carlos», heisst es im Film. Darunter ein Privatlehrer, ein Anwalt und sein Sportlehrer.

Von der Sozialarbeiterin Mariam wird er sogar «rund um die Uhr» betreut. Die beiden wohnen in einer hellen, offensichtlich neu renovierten 4½-Zimmer-Wohnung mit Marmorküche und Parkett. «Ich mache dir Ingwertee», sagt Mariam zu Carlos. «Das tut dir gut.»

Die beiden sitzen am Tisch und scherzen darüber, wer das schönere Zimmer habe. «Geht gut», sagt Mariam. «Aber ist nicht einfach, wenn er schlechte Laune hat.»

Der SRF-Reporter stellt die Kostenfrage. Gürber druckst herum. Dann sagt er: «Das sind 22'000 Franken.» Pro Monat. Allein für Carlos’ Betreuung. Gürber sagt: «Wir hatten schon Unterbringungen mit ihm, die das Doppelte gekostet haben.»

Ob er denn nicht arbeiten wolle, fragt ein Sozialarbeiter Carlos verständnisvoll. «Nein, schaffen kann ich nicht», sagt der. «Soll ich denn nur am Morgen und am Abend trainieren?» Carlos wolle Thaibox-Profi werden, alles andere interessiere ihn nicht, sagt der Reporter.

Und er fragt den Jugend*anwalt, ob er denn nicht härter sein müsste mit Carlos. «Ich denke, wir sind auch zu Recht mild», sagt Gürber.
Wie viel Carlos’ Betreuung insgesamt schon gekostet hat, konnte die Zürcher Jugendanwaltschaft gestern auf Anfrage nicht mitteilen.

..heute hat sich das Opfer gemeldet...
Er hat noch keinen Rappen Schmerzensgeld erhalten.Zwar konnte Y. das Spital nach zehn Tagen wieder verlassen. Doch er leidet unter bleibenden Schäden: «Noch heute habe ich jeden Tag Rückenschmerzen, ich spüre sie schon, wenn ich am Morgen aufwache», sagt er. Sein Hobby, das Fussballspielen, habe er deshalb aufgeben müssen. Auch im Job bekam der Logistiker-Lehrling Probleme: «Ich wäre wegen der Folgen des Angriffs fast aus der Lehre geflogen und muss froh sein, wenn ich den Abschluss schaffe
...da hat die Politik mehr als versagt